Heute ist etwas ganz anders. Es liegt was in der Luft. Ich recke meine Nase empor. Dafür strecke ich auch mal meinen Hals unter dem Stuhl empor. Ich rieche Aufregung, Angst, Traurigkeit und etwas wie Unbehagen. Ich versuche herauszufinden woher diese Gerüche kommen. Meine Pflegemutter betritt das Zimmer und da ist mir klar, dass sie danach riecht. Niemand ist in ihrer Nähe, also wage ich mich unter dem Stuhl hervor und gehe langsam auf sie zu. Ich lecke ihr die Hand und sie hockt sich hin und streichelt mich. Ihre Wangen sind feucht. Es schmeckt salzig. Lecker. Sie flüstert mir ein paar Worte zu. Ich weiß nicht genau was sie sagt, aber ich spüre ihre Liebe zu mir und das fühlt sich gut an. Ich höre die Namen Jenny und Rene heraus. Das ist doch gut. Da fahren wir doch jetzt schon öfter hin. Meine Pflegemutter steht langsam auf und geht zu meinem Stuhl. Darunter liegt meine Decke. Sie nimmt die Decke hoch und klemmt sie sich unter den Arm. Das verstehe ich nun doch nicht. Neugierig geworden gehe ich ihr hinterher, als sie zum Flur geht. Sie zieht mir das Geschirr über und macht die Leine ran. Dann gehen wir leise zum Auto. Muss ich Angst haben? Vorsichtshalber klemme ich den Schwanz weiter ein.
Tatsache, wir fahren wieder zu Jenny und Rene. Die beiden stehen diesmal schon vor dem Gartenzaun. Auch das ist seltsam. Ich weiß echt noch nicht was ich davon halten soll. Meine Pflegemutter steigt aus dem Auto und geht zu Jenny und nimmt ihr was aus der Hand und gibt ihr meine Decke. Hallo? Ich bin noch im Auto. Hol mich doch bitte auch raus!!! Sie kommt zu mir ans Auto und zieht mein Geschirr aus und gleich ein neues an. Warum kann ich nicht sagen. Ok, der Rest ist wie immer. Leine ran und ich bin –schwups- draußen. Langsam erkenne ich die Gerüche hier. Aber – jetzt nimmt Jenny die Leine in die Hand und geht mit mir von dem Haus weg. Das ist mir gar nicht recht. Was soll das denn jetzt? Rene kommt hinterher. Aus dem Augenwinkel sehe ich noch meine Pflegemutter ins Auto einsteigen. Panik schießt in mir hoch. Nein! Was passiert hier jetzt? Die einzige Person, der ich vertraut habe, lässt mich jetzt zurück? Ich ziehe wie wild an der Leine. Weg von Jenny, weg von …Allem! Aber die beiden lassen sich davon nicht irritieren. Sie gehen immer weiter. Ich erkenne nichts mehr. Ich rieche nichts mehr. Ich bin wie blind. Alles tobt in mir.
Nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkommt, gehen wir in einen Wald hinein. Aber auch hier fühle ich mich fremd. Ich will nach Hause. Unter meinen Stuhl. Ich will WEG! Es hört mir niemand zu. Irgendwann drehen wir wieder um und gehen eine andere Straße entlang. So viele Menschen, Autos und komische schnelle Dinger mit zwei Rädern fahren an mir vorbei. Auch hier will ich nicht sein. Dann halten wir an. Ich sehe mich panisch um. Jenny und Rene besprechen irgendwas. Rene hält nun meine Leine und geht mit mir ein paar Schritte zur Seite, zu einer Bank. Aus dem Augenwinkel sehe ich Jenny in das Haus verschwinden. Das gibt mir nun echt den Rest. Ich laufe innerlich Amok. Ich ziehe und zerre an der Leine und als das nichts hilft schiebe ich mich mit aller Gewalt nach hinten. Und rutsche aus dem Geschirr heraus. Ich bin frei. Doch bevor ich mich mit dieser neuen Situation auseinander setzen kann, hält mich schon Rene von vorne fest und zieht mir ganz schnell das Geschirr wieder über den Kopf und hält mich zusätzlich noch an meinem Körper fest. Ich spüre wie unsere Herzen ganz schnell schlagen. Ich glaube, Rene geht es fast genauso schlecht wie mir.
Nach einiger Zeit der Regungslosigkeit, kommt Jenny wieder zurück. Ein bisschen beruhigt mich das doch schon. Sie nimmt wieder die Leine und wir gehen weiter. Ich bin mittlerweile todmüde und kann gar nichts mehr denken. Eine Pfote vor die andere. Und dann irgendwann sind wir wieder an dem Haus angelangt. Wir gehen schnell ins Haus rein. Diesmal bin ich zu müde und kaputt, um noch vor der Tür Angst zu haben. Ich will nur noch unter meinen Stuhl. Vor dem Eingang werde ich noch mit einem Handtuch abgerieben und dann geht’s in die Wohnung rein. Die kenne ich ja schon ein bisschen. Aber etwas hat sich hier verändert. Ich darf nun nicht mehr auf dieses riesige Hundebett, sondern da steht unter einem Fenster ein kleineres Bett. Mit zwei Decken. Und mit meiner Decke. Das rieche ich sofort.
Dort führt mich Jenny hin und dankbar lege ich mich hin. Anscheinend ist das riesige Hundebett eher für Jenny und Rene gedacht. Und ich habe hier jetzt mein Bett. Kein Stuhl mehr. Es ist ziemlich bequem und riecht gut. Jenny und Rene setzen sich neben mein Bett und streicheln mich. Das ist ganz angenehm. Das können die beiden schon recht gut. Aber ich verstehe immer noch nicht ganz genau, was jetzt hier los ist. Meine Pflegemutter ist nicht hier. Vielleicht kommt sie ja morgen. In diesem Bett fühlt es sich jetzt gar nicht mehr so schlimm an. Draußen hatte ich wirklich mehr Angst. Da gibt es so viele Dinge, die ich nicht kenne und mir unheimlich sind. Mir fallen langsam die Augen zu. Meine Augen fühlen sich so schwer an.
Ich fühle noch eine Hand, die mich streichelt. Halb schlafend schlecke ich mal lieber noch die andere Hand, die da liegt. Ich möchte wirklich keinen Ärger. Bitte tut mir nichts. In dem Moment spüre ich tief in mir die Stimme von Jenny. Sie sagt, dass diese Hände mir nie was Böses antun werden und ich immer in Sicherheit bei ihr bin. Mit diesen schönen Worten schlafe ich ein. Das muss ich erst mal alles im Traum verarbeiten. Was für ein Tag, sage ich euch. Mal schauen wie es morgen weiter geht.
Tierische Grüße, Dolima